Mitarbeiter/innen

Charité - Universitätsmedizin Berlin
Institut für Geschichte der Medizin 

Projekt D - Zweite Förderphase

Teilprojekte

Urbane Störungen in psychiatrischer Behandlung

 

Zusammenfassung

Die Psychiatrische und Nervenklinik der Charité war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einer der maßgeblichen Orte in Berlin, an dem gesellschaftliche Vorstellungen, soziale Urteile und Normen, wie auch wissenschaftliche Annahmen psychischer Alterität verhandelt und reflektiert wurden. In der ersten Projektphase haben wir diesen Schwellenraum hinsichtlich seiner epistemologischen, regulativen wie auch kulturellen Dimensionen untersucht. Ziel der zweiten Projektphase ist es nunmehr, den Zusammenhang zwischen den urbanen Lebensweisen, den sich manifestierenden Störungen (psychische Auffälligkeit, Suizid, Verweigerung) und deren psychiatrischer Bewertung, Einordnung und Behandlung zu analysieren. Mit dem Begriff der Störung (im epistemischen Sinne) wird

  1. der Aushandlungsprozess neuer psychiatrischer Krankheitsbegriffe (u.a. Schizophrenie,  Psychopathie und traumatische Neurose) bzw. nicht in den psychiatrischen Kanon aufgenommenen Kategorien (Suizid) als medizinische Übersetzung solcher Störungen untersucht,
  2. mit den hierbei eingesetzten Praktiken und Techniken (Handlungsweisen, diagnostische Techniken, performative Praktiken etc.) das psychiatrische Wissen als situated knowledge (Haraway) charakterisiert,
  3. der kategoriale Wandel des psychiatrischen Klassifikationssystems – mit Blick auf die Struktur des Würzburger Schlüssels (als reichsweit verbindliche Einteilung psychiatrischer Diagnosen nach dem Vorbild der Charité-Psychiatrie) dargestellt.

Diese drei Untersuchungsebenen erlauben eine (1) Re-lokalisierung der neu eingeführten Krankheitsbegriffe und der mit ihnen verbundenen Vorstellungen, eine (2) Re-situierung der Handlungs- und Wissensweisen sowie eine (3)  Re-kontextualisierung der Verschiebungen in der psychiatrischen Wissensordnung. Mit Henri Lefebvre folgen wir dem zwischen Eigen- und Wahnsinn oszillierenden Zusammenspiel von Raumpraktiken (spatial practices), Raumrepräsentationen (representations of space) und repräsentiertem Raum (representational space).

Konferenzen:

Friedland, Alexander; Herrn, Rainer und Ledebur, Sophie:
Workshop: Madness on Stage –Staging Madness. Techniken der Inszenierung von „Krankheitsbildern“ und „Gefühlstönen“. Veranstalter: DFG-Forschergruppe „Kulturen des Wahnsinns“, Berlin 7.-8. Juni 2013.

Herrn, Rainer und Gammerl, Benno:
Gefühlsräume – Raumgefühle. Zur Verschränkung von emotionalen Praktiken und Topografien der Moderne. Workshop der Forschergruppe „Kulturen des Wahnsinns“ und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Berlin, 10.-11. Januar 2013. 

Ausstellungen:

Herrn, Rainer und Beddies, Thomas (Kuratoren): Themenbearbeitung: Friedland, Alexander (Lehre, Hörsaal, Klinische Demonstration); Herrn, Rainer (Personal, Versorgung, Wohnen); Hess, Volker (Patienten, Behandlung); Ledebur, Sophie (Poliklinik, Forschung). Vom Irrenasyl zur Nervenklinik. Der Neubau der Psychiatrischen und Nervenklinik der Charité um 1900. Charité, Mai 2012.

Herrn, Rainer, Michael Taylor, und Annette Timm (Kuratoren): Popular Sex: Media and Sexuality in Germany in the Early 20th Century. Calgary (Kanada) Januar-Februar 2011.