Projekt B - Zweite Förderphase
Schauplätze der Spekulation.
Der Spekulantenwahn zwischen ökonomischer Rationalität, Prophetie und Unberechenbarkeit
Zusammenfassung
In der zweiten Projektphase soll es mit der Fokussierung auf den Spekulantenwahn und die Berliner Börse um die gegenseitige Legitimierung und Intensivierung von ökonomischen, massenkulturellen und psychologischen Diskursen mit visuellen Sichtbarkeitsverhältnissen gehen.
Im Zentrum des kultur- und medienhistorischen Projekts steht die Berliner Börse als Schauplatz des individuellen und kollektiven Spekulantenwahns. Dabei soll gefragt werden, wie sich der lokale Eigensinn der Institution, ihrer Akteure, der Gesten, Stimmen und Körper in der deutschen Populärkultur der Kaiserzeit und der Weimarer Republik herausbildet, wie die moderne Magie der Börse zum konstitutiven Teil der Ökonomie wird und neue Affekträume schafft.
Um die Ordnung der Stadt und die Ordnung der Sinnproduktion zu ihren eigensinnigen Effekten in Beziehung zu setzen, sollen das wirkungsmächtigste aller Medien, das Geld und die Spekulation im Börsengeschehen als Movens heftiger Affekte in Ratgeberliteratur, psychologischen und psychiatrischen Diskursen, in Kunst und Medien untersucht werden.
Dabei wird von Interesse sein, wie das Zirkulieren des spekulativ aufgeladenen Geldmediums in städtischen Räumen mit den Praktiken der Sinn- und Bedeutungszuschreibung korrespondiert. Die Temporalisierung und die Indifferenz des Geldes zwischen Abstraktheit und Berechenbarkeit sind dabei als Grundlage dafür zu betrachten, dass es nicht nur die Risiken sondern auch die Lust am Spekulieren sind, die die eigensinnige Individualität des Spekulanten codieren und den Wahnsinn zu kulturellem Ansehen verhelfen. Gegenstand der Untersuchung werden somit die spezifischen Psychologien der Spekulation sein, in denen die historische Figuration der Spekulation als das Wahnhafte und Immaterielle moderner Ökonomie verkörpert ist. Im Anschluss an die erste Projektphase bilden Magie-, Hypnose-, Hysterie- und Suggestionssemantiken zentrale Schnittstellen für die Aushandlung des urbanen Wahnsinns, wobei hier der Wahnsinn an der Börse als legitime Normalität erscheint.
Mit der Spekulation als eine der magischen Transformationsweisen des Geldes rücken die Spekulationssemantiken in die Nähe zum Okkultismus-Diskurs und seiner Einbettung in Verfahren und Techniken säkularer Magie, wie sie bereits in der ersten Projektphase herausgearbeitet wurden.